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Das Haus Austraße 3 in Aumenau wurde 1930 von August Kramer und Ehefrau Emma, geb. Stahl, erbaut. Auf dem Foto ist der Bauschein, ausgestellt durch das Preussische Landratsamt in Weilburg, abgebildet. 

Das rechte Foto zeigt dann das Haus selbst in den Anfangsjahren. Zu den zeittypischen Baudetails zählt die horizontale Gliederung des Gebäudes durch ein weit aufgeschobenes Satteldach auf einer vortretenden Taufplatte, die sich im Giebel des Gebäudes als kräftiger Fries fortsetzt. Charakteristisch ist auch das umlaufende Putzband, welches mit einem Sohlbankgesims abschließt. Auf diesem sind die Fenster des Obergeschosses aufgesetzt. Neben dem Haus wuchsen Obstbäume, den Abschluss des Grundstücks zur Straße bildete ein Lattenzaun aus Holz.

Im Jahr 1957 wurde das Haus Richtung Lahn durch eine Garage im Kellerbereich, eine Ergänzung der Küche im Erdgeschoß und einen Balkon im 1. Obergeschoß erweitert.

1962 erwarb August Kramer rechts neben dem Wohnhaus einen zusätzlichen Streifen Land von den Erben des Adam Wirbelauer.

Der Sohn von August Kramer, Benno, und seine Frau Elli bauten schließlich im Jahr 1974 ein Nebengebäude in Form einer Garage und eines Partyraumes, der sehr vielen Aumenauern durch Feste bei Kramers bekannt sein dürfte. Die gut ausgestattete ehemalige Bar befindet sich heute im Café von Ernst Günter Maler, der sie als Erinnerung an fröhliche Feiern behalten wollte.

2006 erwarben wir das Haus von Eberhard Kramer, dem Enkel des Erbauers.

Im Rahmen des Dorferneuerungsprogramms Aumenau, Betreuung Frau Dorothee Kirschbaum, sanierten wir das Haus von 2012 bis 2014 durchgreifend unter Einhaltung besonderer energieeffizienter Maßnahmen und Verwendung umweltgerechter Materialien. Vor der Durchführung fanden Beratungen durch das Architekturbüro Stephan Dreier und Herrn Hans-Joachim Egenolf, Amt für den Ländlichen Raum, statt. Die Bauleitung übernahm die Architektin Frau Patricia Wolf, Limburg-Dietkirchen.

Durch die Einhaltung höchster Energiestandards bei der Erneuerung der Heizungsanlage konnte ein Zuschuss der KfW-Bank in Anspruch genommen werden.

 

Vor der Sanierung:

Das Wohnhaus mit den oben beschriebenen zeittypischen Baudetails hat sich weitgehend unberührt erhalten, was auf dem nächsten Foto zu erkennen ist.

Das Fundament und die Kelleraußenwände sind aus Bruchstein, besonders grünem Schalstein, die Kellerinnenwände aus Ziegelsteinen ausgeführt. Zum Teil sind die Kellerwände mit Rigips verkleidet und mit Styropor versehen. Die Außenwände von Erd- und Obergeschossen sind aus Bimsstein 38 cm stark. Das Satteldach weist noch die ursprüngliche Eindeckung mit Langhecker Naturschiefer auf.

Die Sprossenfenster aus Eiche mit Oberlicht sind aus mundgeblasenem Glas mit innenseitigem Schwengelverschluss und Hebeln aus Messing. Sie wurden von dem Vater der späteren Bewohnerin, Frau Elli Kramer, gefertigt. Die Zentralheizungsanlage aus dem Jahr 1962 besteht aus schmiedeeisernem starkwandigem Muffenrohr mit einer Stärke von bis zu 5/4 '', im Kellerbereich mit Glaswattematten isoliert, und Stahlradiatorheizkörpern. Der Ölheizkessel stammt aus dem Jahr 1989. Auch die Haustechnik im Bereich Sanitär und Strom sind größtenteils veraltet.

Die beiden Innentreppen sind aus Eiche mit einem PVC-Belag. Auch die Fußböden im Innenbereich aus Weichholz sind mit PVC oder Teppichboden belegt.


Zielsetzung zur Sanierung:

Unsere grundsätzlichen Überlegungen vor der Sanierung waren, dass das Haus lange vor unserem Erscheinen erbaut wurde und wahrscheinlich noch sehr viel länger überdauern wird als wir. Daher ist es nur angemessen, wenn wir unsere Möglichkeiten zum dauerhaften Erhalt ausschöpfen. Die konkreten Ziele waren daher:

1.       Eine deutliche Erhöhung der Energieeffizienz

2.    Verwendung natürlicher Baumaterialien wie einheimische Hölzer, Lehm, Sand, Kalk und Leinölfarbe, um Bewohnern ein gesundes Raumklima zu bieten und nachfolgenden Generationen keine Problemstoffe zu hinterlassen

3.      Weitgehender Erhalt der ursprünglichen Bausubstanz, die sich harmonisch in das Ortsbild einfügt auch als Würdigung der Handwerkerleistungen von 1930 (hoher Anteil an Handarbeit)

4.       Umweltgerechte Trennung und Entsorgung, wenn möglich Recycling, ausgebauter Materialien

5.       Auftragserteilung an regionale Fachhandwerker, die kurze Anfahrtswege haben


Durchführung:

Das Dach aus Langhecker Naturschiefer erschien uns durchaus erhaltenswert und kann bei regelmäßiger Kontrolle mit kleineren Ausbesserungen noch einige Jahre überdauern. Dies bedingte jedoch den Verzicht auf eine thermische Solaranlage und auf eine Photovoltaikanlage. Bei der Installation von Stromleitungen und Heizungsanlage legten wir aber Wert auf einen zugänglichen Versorgungsschacht im Hausinneren, um die zukünftige Nutzung von Solarenergie einfach realisieren zu können.

Auf das Aufbringen eines Vollwärmeschutzes außen wurde verzichtet, um Eingriffe in die ortsprägende Fassadengestaltung zu vermeiden. Stattdessen wurden die Innenseiten der Außenwände durch Aufbringen eines Strohlehmputzes mit Schilfrohrmatten (s. Foto) durch die Fa. Reichwein, Hadamar, ertüchtigt. Lehm ist ein umweltgerechtes Baumaterial, das hervorragende baubiologische Eigenschaften wie die Aufnahme und Wiederabgabe von Feuchtigkeit besitzt. Die Verarbeitung von Lehm ist sehr angenehm für die Hände des Anwenders. Die letzte Putzschicht besteht aus einer Kalkglätte.

Der Außenputz im Sockelbereich wurde ausgebessert und mit Silikatfarbe gestrichen (Fa. Werner, Villmar).

Die oberste Geschoßdecke (Speicherdecke) wurde 20 cm aufgedoppelt und mit einer Zellulose-Einblasdämmung, an unzugänglichen Stellen auch mit Hanf, durch die Fa. Holzbau Müller, Dauborn, versehen.

Die historischen Fenster wurden komplett entglast, aufgearbeitet, mit Leinölfarbe gestrichen, wieder mit den alten Scheiben eingeglast (Fa. Mosler & Münchow, Oberzeuzheim) und zur Wärmedämmung mit Kastenfenstern aufgerüstet. Die Innenfenster sind aus heimischer Eiche gefertigt, mit Leinöl gestrichen und mit spezieller Isolierverglasung versehen (Fa. Kremer, Villmar). Leinöl wird aus Flachs oder Öllein gewonnen. Lein ist eine alte Kulturpflanze, die unter mitteleuropäischen Klimabedingungen sehr gut wächst. Sie zählte früher zu den bedeutendsten Ölpflanzen. Im Gegensatz zu sonstigen Farben verbreitet Leinölfarbe bei der Anwendung einen angenehmen Duft.

Zur optischen Aufwertung der Fassade und aus Energiespargründen wurden alle Fenster von der Fa. Klappladen, Weinbach-Edelsberg, mit Klappläden aus Kiefernholz mit Leinölfarbe gestrichen, versehen.

Kleine Episode am Rande: Als die Klappläden montiert wurden, standen immer wieder Zuschauer auf der Straße und sagten: „.... oh wie schön, wie früher“.

Die Heizungsanlage wurde durch die Fa. Karl Huth, Villmar-Seelbach, von Öl auf Erdgas umgestellt. Dazu wurden das restliche Heizöl und der Öltank fachgerecht entsorgt und ein Gasbrennwertgerät mit einer Umwälzpumpe Energieeffizienzklasse A und niedrigen CO- und NOx-Emissionen installiert. Die neuen Flachheizkörper mit integrierten Einbauventilen versprechen eine zusätzliche Energieeinsparung. Außerdem wurden neue wärmegedämmte Heizungsrohre montiert.

Für eine spätere Anbindung der Toilettenspülungen an eine Regenwassersammelanlage wurden Leerrohre verlegt.

Im Innenbereich konnten die historischen Fußbodendielen aus Weichholz zum großen Teil erhalten werden. Dazu wurde der Belag aus PVC entfernt, die Dielen aufgearbeitet und mit Leinölfarbe gestrichen. Ebenso wurden die Beläge von den Eichentreppen entfernt und das Holz mit Leinöl gestrichen. Die Aufarbeitung der historischen Treppen und Holzfußböden und der neue Vorbau wurden durch Schreinerei Jens Broeker, Aumenau, realisiert. In zwei Wohnräumen ließen sich die historischen Dielen nicht erhalten und wurden durch Eichendielen ersetzt (Fa. Röcker, Diez).

Im Keller entfernten wir die aufgeweichten Rigips- und Styroporplatten und verfugten die Natur- und Ziegelsteine mit Trasskalkfugenmörtel.

Bei allen Gewerken wurde auf die Verwendung von Montageschaum verzichtet, Silikon nur im Sanitärbereich verwendet.

Bei der Behandlung der Abfallstoffe achteten wir auf eine strikte Trennung, um eine Wiederverwendung von Alteisen, Kupfer, Schutt, Holz und Altpapier zu ermöglichen.

Auf dem Foto ist das Wohnhaus nach der Renovierung zu sehen. Die beteiligten Handwerker waren größtenteils sehr engagiert und taten ihre Arbeit gerne, allen sei Dank und ganz besonders Carlos von der Fa. Reichwein. Durch die Einhaltung der Förderrichtlinien des Dorferneuerungsprogramms konnten wir die Höchstfördersumme in Anspruch nehmen. Die Vorgaben stellten dabei für uns keine Belastung dar, im Gegenteil: Wir haben sie als wertvolle Anregungen zur Renovierung aufgefasst. Daher gilt unser besonderer Dank Frau Kirschbaum für die fundierte Betreuung seitens des Dorferneuerungsprogramms und insbesondere der Architektin Frau Wolf für die behutsame und kompetente Planung und Durchführung.

 

Nun wünscht sich das Wohnhaus Mieter, am liebsten eine Familie mit Kindern, ganz im Sinne der Zielsetzungen des Dorferneuerungsprogramms: Schaffung von Wohnraum für junge Familien im erhaltungswürdigen Dorfkern.

 

Barbara Azari und Franz Schulz